La Doyenne: Lüttich – Bastogne – Lüttich

„Schlimm wär‘ nur, wenn’s jetzt noch regnen würde“ – geflügeltes Wort (Norbert F.)

Lektion eins: Nie-nie-nie mehr werde ich 75 km Rad-Touristikfahrt (RTF) als „Kinderteller“ bezeichnen!

Aber der Reihe nach…

Ein(e) „Horst“ kam auf die fabelhafte Idee, mal in Belgien bei ihr in einer sehr schnuckeligen Stadtwohnung vorbeizuschauen und dabei eines der 5 Monumente des Radsports zu fahren. „La Doyenne“ bedeutet entsprechend auch „die Älteste“ und dieses L-B-L ist eben das älteste Radrennen der Welt.
Samstags hatten wir die Chance (wir sind ja liebe Zeitgenossen) den Kurs mürbe zu fahren, damit sich am Sonntag auch die Profis darauf trauen.
Wir, das sind zunächst die drei Muskeltiere Kim, Stephane und Thomas als Frühjahrsklassiker-Fraktion, die nach der Ronde van Vlandeeren und Paris-Roubaix in Lüttich das Triple komplettierten. Dafür bekommt man dann wohl einen Pflasterstein – dabei hätte ich ja noch welche daheim gehabt 😉 …
Dazu noch Norbert & ich für die Kurzdistanz im besten FCSP-Sinne von YNRA = You Never Ride alone.

Race Day

Gut geschlafen nach gutem belgischen Bier und leckerer Kost, dann der Plan: 4 Leute und drei Räder fahren von Brüssel nach Lüttich, ein Laut und zwei Räder kommen von Aachen dazu, Treff vor dem Start, Radübergabe, Start der Langdistanzler, später Norbert & ich.
Man kann nicht sagen, dass wir hier einen schlechten Plan hatten – wir hatten einfach gar keinen bei Ankunft. Ein Wagen stand am Fluss entlang 1 km entfernt vom Start, der Andere stand am Fluss entlang 1 km entfernt vom Start – prima!
Nach ein paar zähen Minuten war dann auch klar, dass es zwei Richtungen entlang des Flusses gibt, Bucket 😦 !
Die Zeit schlich natürlich dahin und ebenso natürlich hat dann alles noch rechtzeitig geklappt und die – wir wir später festgestellt haben – 3 Wahnsinnigen waren unterwegs.

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Da haben sie noch gelacht…

Damit auch Zeit zum Chillen (unser Start war 1-2 Stunden später) und vor allem mein noch offenes Frühstück. Dazu benötigt man: eine Frühstücksgelegenheit, welche im eher industriellen Start-Ambiente nicht zu finden war. Also ein Kaffee und eine Banane, dann ging es auch für die beiden „Shorties“ los.

Das sympathische an einer RTF ist die fehlende Zeitnahme im Ziel. Wir hatten 8 km „Einrollen“ bis zum offiziellen Pro-Start und legten los – also zumindest Norbert, unsere Räder und mein Oberkörper. Meine Beine lagen noch im Bett, nicht gut…

Wetter: Nieselig-kalt, so um die 10 Grad herum. Überschuhe und wärmendes Unterhemd waren unter den Dingen, die daheim im Warmen lagen.

Hilft ja nix, also ab Km 8 dan Los, Vollgas! Direttamente in die nächste Boulangerie – das hat schon was, eben mal nicht zu „racen“. Nach Reistorte und Schokostückchen sah die Welt dann auch schon besser aus.

Dann ging es aufwärts und wurde kühler und nasser (ich schreibe das jetzt einfach mal beispielhaft, da es so eigentlich ständig war).

Km 18, erste Abfahrt, erster Crash und das Kopfkino war bedient, „Wie im Fernsehen“ würde man sagen aber der arme Kollege sah wirklich nicht gut aus, alles voller Blut, fuchtelnde Belgier… die Sani-Kavallerie war schon unterwegs also rollten wir mit einem dicken Frosch im Hals weiter.

„Episch“ gebrauche ich nicht oft doch hier war es ein unglaubliches Gefühl auf den Strassen all der Radsport-Legenden zu rollen und die Klassik-Athmosphäre einzuatmen. Als Fan des Sports auch mal selbst zu erleben, was die Jungs da eigentlich wirklich leisten. Passend zum Wetter hat dann logischerweise ein älterer Spanier bei den Pros gewonnen (dessen Namen ich nicht nennen mag wegen dem blöden „D-Wort“).

Ein bisschen Zeitnahme gab es dann doch: den Grand Prix Eddy Merckx, wo die Zeit bei drei Anstiegen gemessen wurde.
Mein Reflex aus „Zeitmesslatte piept“ – „Hirn aus“ – „Banzai!“ funktioniert noch!

An der Côte de la Redoute war es noch nicht sooo lustig, meine Beine noch nicht ganz da, dafür der Anstieg – well – ansteigend: 1650m, 9,7% durchschn., max. 20% Steigung gegen Ende. An eben diesem war ich 7/8teltot (100% treten waren leider zu wenig) doch auch stolz wie Bolle, nicht einfach umgekippt zu sein 😉 .
Ergibt Position 349 von 918 an Chrono 1 – geht eigentlich, in der ersten Hälfte des Feldes *Strike*!

Die Côte de la Roche-aux-Faucons (warum klingt das alles nur immer so wie eine Dinner-Bestellung?!?) war dann so „mittel“. Die Beine waren dann auch mal wach aber davor eine lange Abfahrt mit Regen bei so 11 Grad *brrr* .
Macht Position 262 von 918 an Chrono 2 – Top 29%, wer hätte das gedacht 🙂 🙂
Gnädigerweise stand dort die Kamera erst nach dem Anstieg so dass es weniger peinlich aussieht:


Danach war das Wetter nicht mehr ganz witzig und das eingangs erwähnte „geflügelte Wort“ kam auf. Hamburger Wetter! Vergleiche mit der Nordsee haben auf der wiederum langen Abfahrt nicht mehr viel geholfen, ich war geschätzt 5-10 Grad zu kühl gekleidet und die „Cobbles“ – also Pflastersteinstücke – kamen dazu. Zum Glück in überschaubarer Länge und vor allem sozialvertäglicher „Tiefe“ beim Gehoppel, also kein Vergleich zum Wald von Arenberg.

So langsam kannte ich das Spiel ja jetzt – einige Minuten bei über 50 Sachen Schnellfrostung bergab, rechts abbiegen, gegen eine Wand fahren und versuchen zu überleben. Psychologisch wertvoll zeigte mein Roadbook auf dem Oberrohr den letzten und leichtesten Anstieg bei km… km… ääh… also wenn jetzt das GPS ausgefallen ist kann ich das vergessen.
Gute Nachricht: das GPS ist nicht ausgefallen.
Schlechte Nachricht: ich habe mein Trainings-Setup nicht umgestellt d.h. unter 8 km/h stoppt das Ding, womit inzwischen +- 2 km fehlen dürften. Selbst schuld, wenn man bei 20% Steigung keine 9 km/h schafft 😦 …
Der Côte de Saint-Nicolas bot nur noch 7,6% Steigung im Schnitt und 13 % max., also „locker hinaufrollen“ als Devise und er kam auch sehr gelegen um wieder etwas wärmer zu werden.
Rollte dann auch ganz gut:  Position 254 von 918 an Chrono 3 – Top 28%, fast das erste Viertel des Felds geschafft 🙂 .
Einen beherzten Tigersprung über den Transponder konnte ich mir nicht nehmen lassen – die Kamera zeigt auch gut die Witterung (den Regen dazudenken):

... war da was ;-) ?!?
… war da was 😉 ?!?

Dann wieder gecobbled mit inzwischen gut dreck-geschmierten – also versagenden – Bremsen über längere Cobble-Abschnitte. Ich konnte zwar kaum bremsen, dafür waren wenigstens alles nass vom Dauerregen. Die hintere Bremse war schon fast in Rente und vorne bremsen bergab in einer Cobbles-Kurve: gaaanz schlechte Idee! Also tief in der Fahrtechnikkiste gekramt und das Ding ins Ziel gebracht.

Nachdem ich noch mit eine satten „Plack!“ eine Glasflasche per Vorderrad gekillt hatte (wo kam die denn her??) und mich beim heiligen Merckx per Stoßgebet für den haltenden Reifen bedankt hatte geschah das Unerwartete…

Here comes the Sun

Tatsächlich hat es die letzten 5 km nicht (!) geregnet, wir kamen heil ins Ziel.
Damit ab nach Brüssel und ran an die wirklich wichtigen Aufgaben:

Mineralienhaushalt. Wichtig!!
Mineralienhaushalt. Wichtig!!

Und da saßen wir dann, während die anderen drei Wahnsinnigen noch Ihre 273 km-Originalrunde zu Ende fuhren – immerhin hatten sie in der Relation besseres Wetter 🙂 !

ps: bislang habe ich das Training im Radclub zuhause als „Radfahren für Erwachsene“ bezeichnet. Verglichen zum L-B-L Erlebnis muss ich aber sagen, das ist Kinde…aaargh, ok ich lasse es.

pps: Uns Laufwunder Arthur hat dieses Wochenende auch Sport getrieben, irgendwas mit Ballett in Hamburg – aber das ist eine andere Geschichte…

Ich stehe nicht so auf Finisher Shirts oder Medaillen - aber hin und wieder freut man sich auch im
Ich stehe nicht so auf Finisher Shirts oder Medaillen – aber hin und wieder freut man sich auch im „hohen“ Alter über etwas Hübsches.

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